Räuchern: archaisches Aromenspiel

Räuchern: archaisches Aromenspiel

Geräuchertes ist ein besonderer Genuss. Schon der Duft von Speck und Schinken wirkt speicheltreibend, geschweige denn der erste Bissen! Die anmächelige Aromenfülle versetzt uns in längst vergangene Zeiten. Räuchern ist eine der ältesten Methoden, Lebensmittel haltbar zu machen. Ebenso pflegten unsere Urahnen ihr neues Heim mit einer Hausräuchete einzuweihen. Vom Rauch für Bauch und Brauchtum.

Verführung der Sinne

Verführung der Sinne
Geräucherte Würste machen den unvergleichlichen Duft und Geschmack der Westschweizer Spezialität Papet vaudois aus.

Räuchern ist pure Magie! Augen zu, und prompt entführt uns der herbe Duft an einen anderen Ort, in eine andere Zeit. Man sieht die schwelende Glut des Feuers. Riecht die von den Flammen verzehrten Hölzer und Kräuter - und natürlich die kulinarischen Freuden, die im Kamin ihre vielschichtigen Geschmacksnuancen erhalten haben.

Tatsächlich ist Räuchern eine Konservierungsmethode aus archaischer Zeit. Duft und Geschmack der Spezialitäten sind jedoch bis heute begehrt. Liebhaber rustikaler Genüsse wissen sie ebenso zu schätzen wie weltläufige Gourmets.

Was den Geschmack geräucherter Delikatessen ausmacht und womit diese sich am besten vermählen lassen, sind Geheimnisse, die zu entdecken sich lohnt. Räuchern ist ein alchimistischer Akt, der alle Küchen dieser Welt geprägt hat. Ein Duft, der eint und doch überall und immer wieder anders, sprich von Neuem, betört.

Klassische und neue Kreationen

Klassische und neue Kreationen
Ohne Geräuchertes wie Rippli und Speck nicht denkbar: die Berner Platte.

In der kalten Küche bildet Geräuchertes mit Brot das kulinarische Traumpaar schlechthin. Wurst, Speck und Schinken harmonieren mit dunklem Brot. Lachs mundet zu getoastetem Weiss- oder dunklem Brot und Forelle zu Schwarzbrot.

Warme Gerichte erhalten eine rustikale und besonders würzige Note durch die Beigabe von geräucherten Fleischspezialitäten. Die klassische Berner Platte wäre ohne Geräuchertes wie Rippli und Speck kaum denkbar. Kulinarische Kompositionen mit geräuchertem Fisch adeln jede Gästetafel.

Favoriten in Variationen

Favoriten in Variationen
Wie einst bei der Grossmutter: Rippli und Linsen.

Fleisch und Fisch sind hierzulande die bekanntesten geräucherten Delikatessen. In Schottland wiederum schwören Kenner auf rauchige Whiskys. Die Trocknung des Malzes erfolgt im Rauch der mit Torf beheizten Feuerstellen. Eine Liebhaberei, die auch Bierbrauer und -trinker zu schätzen wissen.

Wie begehrt Rauchgeschmack ist, zeigen die Spezialitäten querbeet durchs Marktangebot:
 

  • Fleisch
    Schwein, Rind, Büffel, Lamm, Wild - je nachdem zu Würsten, Schinken, Speck oder Rippli verarbeitet.
  • Fisch
    Lachs, Forelle, Hering, Aal, aber auch Meeresfrüchte und Krustentiere.
  • Geflügel
    Poulet, Truthahn, Gans, Ente.
  • Käse
    Frischkäse wie Mozzarella und Ricotta; Hartkäse wie Provolone und Gouda.
  • Vegi-Freuden
    Tofu, Seitan, Gemüse.
  • Getränke
    Whisky, Bier, Tee.

Wo Fernes heimisch wird

Wo Fernes heimisch wird
Geräucherter Lachs schmeckt in jeder Form.

Eine besondere Spezialität im hiesigen Kulinarium ist geräucherter Lachs. Zwar muss der Fisch dafür importiert werden, aber dessen Räucherung hat jahrzehntelange Tradition in der Schweiz. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Lachs denn auch in zahlreichen Flüssen des Mittellandes verbreitet. Erst seit den 50er Jahren gilt er als ausgestorben. Zurzeit laufen Projekte für sein Comeback.

Einblick in die Kunst der Lachsräucherei bieten zum Beispiel:

  • Dyhrberg, die erste und älteste Lachsräucherei der Schweiz.
  • Balik kann auf Anfrage besichtigt werden. Laut Werbung wird der Lachs manuell «nach zaristischem Rezept» verarbeitet und in der dreistöckigen Kammer geräuchert.
  • Nordfisch, die kleinste Lachsräucherei der Schweiz, offeriert angemeldeten Besuchern Besichtigungen. Paradestück ist Wildlachs aus Alaska. Geräuchert wird im Backsteinofen.
  • Coop bietet in seinem Fine Food Sortiment eine Reihe von erlesenen Lachsspezialitäten.

Spezialisten am Werk

Spezialisten am Werk
Westschweizer Rohwürste wie die Waadtländer Saucisson und die Saucisse aux choux werden kalt geräuchert und sind nur in der kalten Jahreszeit erhältlich.

Was geräuchert werden soll, muss möglichst trocken sein. Deshalb wird das Räuchergut vorab gesalzen bzw. gepökelt. Im Rauch bilden sich über 300 verschiedene Stoffe, die zum Geschmack des Produkts sowie zur Farbe, Textur und Oberfläche beitragen. Man unterscheidet Kalt-, Warm- und Heissräuchern.
 

  • Kalträuchern erfolgt bei 15 bis 25 Grad während Tagen bzw. Wochen. Früher wurden Fleisch und Fisch quasi en passant geräuchert durch die holzbefeuerten Öfen in den Küchen. Typische Produkte: Wurst, Speck, Lachs.
  • Warmräuchern erfordert Temperaturen von 25 bis 50 Grad. Der Prozess dauert einige Tage, zum Beispiel für die Produktion von Frankfurterli.
  • Heissräuchern bedingt Temperaturen von 50 bis 85 Grad und dauert nur wenige Stunden. Deshalb sind die Produkte, zum Beispiel Rippli, Makrele, Heilbutt, nicht lange haltbar.

Rauchzeichen setzen

Rauchzeichen setzen
Selbst einmal Rauchzeichen setzen: mit einem geräucherten Gewürzfilet.

Das Geheimnis der vielschichtigen Düfte und Aromen geräucherter Delikatessen basiert auf den jeweiligen Hölzern und Beigaben, die den Rauch erzeugen. Traditionalisten hüten ihre Rezepturen wie einen Familienschatz - und dies meist über Generationen.

Verwendet werden naturbelassene, entrindete Harthölzer. Beliebt ist Buche. Aber auch anderes harzarmes Holz, z.B. von Obstbäumen, Eiche, Ahorn, Baumnuss, Kastanie, Erle, Pappel und Weide, erzeugt ein variantenreiches Aroma.

Um den Rauch zusätzlich zu aromatisieren, werden Späne von Rebenholz, Zeder oder Orangenbaum beigeben. Für die noch feineren Geschmacksnuancen sorgen u.a. auch Kräuter wie Rosmarin, Thymian, Salbei, Gewürze, zum Beispiel Zimtstangen, schwarzer Tee, Lorbeerblätter und Wacholderbeeren.

Zur Reinigung und Segnung

Zur Reinigung und Segnung
Die heutige Hausräuchete ist meistens ein gemütliches Fest mit Freunden und Verwandten.

Feuer und Rauch beseelen unser Brauchtum bis heute. Etwa die Tradition, das neue Domizil mit einem Fest einzuweihen - die sogenannte Hausräuchete. Zwar handelt es sich bei der zeitgeistigen Variante eher um eine Einweihungsparty, die allenfalls für rauchende Köpfe bei den Nachbarn sorgt. Aber da und dort lebt der alte Bauch wieder auf.

Ursprünglich wurde die neue Heimstatt ausgeräuchert. Mit Kräutern, Harzen und Essenzen sollten die Räume atmosphärisch gereinigt werden, damit sich frische, positive Energien ausbreiten konnten. Die Geladenen brachten Salz und Brot mit, um das Haus symbolisch zu segnen bzw. das Herdfeuer wohl und gnädig zu stimmen. Wie sich so eine Hausräuchete in der heutigen Zeit abspielen könnte, beschreibt der Journalist Walter Hess in seinem Blogbeitrag Weihrauch und Drachenblut: Räuchern beim Hausbezug.

Damit bei Ihrer Hausräuchete nicht nur die Nase, sondern auch der Gaumen auf seine Rechnung kommt, haben wir Ihnen das passende Rezept zum Anlass:

Rezept: Geräucherter Vacherin Mont-d’Or

Kaiserlicher Bohnenfresser

Kaiserlicher Bohnenfresser
«Potz Millione, Späck und Bohne», sagte sich wohl schon Kaiser Claudius.

Der römische Kaiser Claudius schnabulierte gerne geräuchertes Schweinefleisch mit Bohnen. Was ihm prompt den Übernamen Bohnenfresser bescherte. Gewitzt forderte er darauf die Senatoren heraus: «Ehrwürdige Väter, ist es denn überhaupt denkbar, dass der Mensch ohne Geräuchertes leben kann?» «Aber nein, Majestät», heuchelten diese unisono: «Eher würden die Römer sterben, als ohne Speck zu leben!»

Räuchern als Teil der Überlebensstrategie ist jedoch viel älter als Claudius’ Werbespot zur Zeit von Christi Geburt. Archäologische Funde zeigen, dass schon unsere Ahnen der Ur- und Steinzeit mittels Salzen, Trocknen und Räuchern ihre Jagdbeute konservierten. In Ländern der südlichen Hemisphäre reichte es meist, Fleisch und Fisch an der Sonne zu trocknen. Nördliche Völker hingegen und Bewohner feuchter Regionen und Küstengebiete waren auf Feuer und Rauch angewiesen, um Vorräte anlegen zu können.

Text: Stephanie Riedi
21. Februar 2017