
Rüeblitorte - süsser Gruss aus dem Aargau
Die Torte mit Tradition

Das Rüebli gehört zum Aargau wie die Saucisson zum Waadtland - und die süsseste Art, Rüebli zu servieren, ist zweifellos eine herrlich feuchte Rüeblitorte. Lange bevor man Zucchini, Sellerie und anderes Gemüse zu trendigem Gebäck verarbeitete, mischte man schon geschabte Rüebli unter den Rührteig. In der «Basler Kochschule» von 1903 empfiehlt die Autorin Amalie Schneider-Schlöth, «frische, saftige Rüebli, so genannte Carotten» zu verwenden. Dieser Rat ist auch heute noch goldrichtig und ebenfalls ihre Anweisung, die Torte «hübsch hellbraun» zu backen!
In den 1970er Jahren sammelten Aargauer Hauswirtschaftslehrerinnen und ihre Schülerinnen im ganzen Kanton traditionelle Rezepte. Die Highlights dieser kulinarischen Bestandesaufnahme wurden 1980 im Kochbuch «Aargauer Rezepte» veröffentlicht. Dort wird die schlichte Rüeblitorte einfach «Aargauer Rüeblichueche» genannt.
Schneide-Spachtel
Rüebliland? Rübenland!

Der Aargau gilt zwar als Rüebliland, aber weshalb er zu diesem Namen kam, ist historisch ungewiss. Wahrscheinlich geht die liebevolle Bezeichnung sogar auf eine Verwechslung zurück: Der Aargau war und ist nämlich kein eigentlicher Rüebli-Kanton, hingegen wurde dort schon im 18. Jahrhundert der Anbau von Rüben (auch Herbstrüben, weisse Rüben, Räben) gefördert. Rüben - Rüebli: Die begriffliche Vermischung der beiden ganz unterschiedlichen Gemüsearten liegt nahe. Die Rüben, ein Kohlgewächs, sind von unserem Speiseplan ziemlich verschwunden. Höchstens als Sauerrüben, ähnlich dem Sauerkraut, kennt man sie noch - und natürlich in Form von Räbeliechtli!
Daneben weiss eine Legende von einem Baselbieter Pfarrer zu berichten, der im aargauischen Brugg wirkte und von dort seiner Familie immer Rüebli mitbrachte. Dies würde vielleicht erklären, weshalb die Rüeblitorte schon um 1900 in einem Basler Kochbuch zu finden war ...
Jedenfalls ist das Rüebli als Symbol für den Aargau seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allgemein bekannt: Es gab damals Postkarten von Dorf- und Städtebildern mit Rüebli-Verzierungen zu kaufen. Das Rüebliland prägte sich in den Köpfen der Menschen ein wie der Begriff Mostindien für den Thurgau.
Rüebli - nicht nur fürs Büebli!

Die Rüebli sind unser liebstes Gemüse: Jede Schweizerin, jeder Schweizer hat im Jahr 2012 über 8 kg Rüebli gegessen! Die Karotte, wie sie offiziell heisst, gehört wahrscheinlich zu den ältesten Nahrungsmitteln der Menschen. Allerdings waren die Wildformen sehr holzig. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gelang in Frankreich eine Züchtung von knackigen Rüebli. Neben den orangen gibt es auch weisse, gelbe, rötliche und violette Rüebli, neben länglichen auch kugelrunde Formen. Den fein-süsslichen Geschmack verdanken alle Rüebli ihrem recht hohen Zuckergehalt von ca. 6%. Eine echte Aargauerin ist das Küttiger Rüebli: Es stammt aus Küttigen, wo es von Bäuerinnen von jeher angebaut wird. Dieses weisse Rüebli hat einen intensiven Geschmack und ist ebenfalls leicht süsslich.
Rüeblitorte

Die Rüeblitorte ist ein leichtes und doch feuchtes Gebäck mit geraffelten Rüebli und geriebenen Mandeln. Der Kuchen enthält keine Butter. Mit einer Zitronen- oder Kirschglasur sowie Marzipanrüebli als Dekoration ist sie das perfekte Dessert für jede Gelegenheit - nicht nur für Aargauerinnen und Aargauer!
Rezept: Aargauer Rüeblitorte
Kuchenduft liegt in der Luft, Backbuch
Rüebli halten in Schwung

In rohem Zustand liefert das Rüebli unserem Körper Nahrungsfasern, die den Darm in Schwung halten und einer Verstopfung entgegenwirken. Gekochte Rüebli haben einen gegenteiligen Effekt. Sie wirken eher stopfend. Bei Durchfall hilft deshalb eine Rüeblisuppe.
Rüebli sind reich an Betacarotin (Provitamin A). Betacarotin kann aus rohen Karotten praktisch nicht aufgenommen werden. Dafür müssen die Rüebli zuerst gekocht werden. Betacarotin ist fettlöslich, das heisst, dass es nur dann vom Darm ins Blut aufgenommen wird, wenn gleichzeitig ein wenig Fett im Darm vorhanden ist. Das ist bei unserer leider eher fettreichen Ernährung fast immer der Fall.
Die grünen Stellen beim Krautansatz der Rüebli entstehen, wenn das obere Ende der Karotte aus dem Boden herausragt und dem Licht ausgesetzt ist: Es bildet sich das grüne Chlorophyll. Ob und wie stark es zu grünen Köpfen bei den Rüebli kommt, ist sortenabhängig. Grüne Karotten sind nicht giftig. Kartoffeln hingegen, die während des Anbaus oder durch das Lagern durch Lichteinwirkung grün werden, enthalten den giftigen Stoff Solanin.
Aarauer Rüeblimärt

Bild: Verein Aargauer Rüeblimärt
Immer am ersten Mittwoch im November findet in der Aarauer Altstadt der traditionelle Rüeblimärt statt. Ab 7.30 Uhr ist die Aargauer Hauptstadt für einen Tag die Schweizer Rüeblimetropole! An ca. 140 Marktständen werden Rüebli in allen Sorten, Grössen und Farben angeboten, ausserdem Eingemachtes, Backwaren, Honig, Dörrfrüchte, Geräuchertes und weitere regionale Produkte. Wer beim Marktbummel hungrig oder durstig wird, muss nicht lange suchen: Viele Aarauer Restaurants passen ihr kulinarisches Angebot dem Rüeblimarkt an.
Aarauer Rüeblimärt: www.rueblimaert.ch
Text: Gina Graber
3. November 2016
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