Ossobuco: viel Fleisch am Knochen

Ossobuco: viel Fleisch am Knochen

Mit Geduld geschmort, bis sie zart sind, und mit Liebe serviert - das sind Kalbshaxen! Oder wie wir sie auch diesseits der Alpen gerne nennen und schlemmen: Ossibuchi. Der italienische Name kommt nicht von ungefähr, denn Ossobuco alla milanese ist eine der bekanntesten und beliebtesten Varianten, die köstlichen Haxen zuzubereiten.

Der Knochen mit dem Loch

«Osso» heisst auf Italienisch Knochen, «buco» bedeutet Loch. Der Ossobuco (Mehrzahl: die Ossibuchi) stammt von der Hinterhaxe des Kalbs. Meistens sind die Haxen in Stücke von drei bis vier Zentimeter Dicke tranchiert. Viele Köche schwören darauf: Fleisch, das am Knochen gebraten wird, schmeckt grundsätzlich sehr gut. Doch auch das Loch im Knochen hats in sich, denn es enthält eine kleine Menge Knochenmark.

Es gibt Spitzenköche, für die das zarte Mark der wahre Luxus des Ossobuco ist. Jedermanns Sache ist es aber nicht: Die einen Geniesser sparen es auf bis am Schluss und streichen es genüsslich auf Toastbrot - andere würden niemals davon kosten.

<b>Ossobuco mit Wintergemüse:</b> Die Knochen geben dem Fleisch das gewisse Etwas.
Ossobuco mit Wintergemüse: Die Knochen geben dem Fleisch das gewisse Etwas.

Wer hats «erfunden»?

Wer Ossobuco sagt, meint meistens im selben Atemzug «alla milanese». Die Mailänder haben das Gericht erfunden und populär gemacht. Die Verbreitung von der Lombardei übers ganze Land war kein grosser Schritt, und Ossobuco alla milanese gilt ausserhalb Italiens als Nationalgericht. Man findet es denn auch auf den Speisekarten in ganz Europa.

Im Mailänder Klassiker wird die Kalbshaxe unter Zugabe von Rotwein und Bouillon in einer würzigen Mischung aus Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten (oder Tomatenpüree) geschmort, wobei das Gemüse separat im Bratfond angedämpft wird. Das heiss angebratene Fleisch gibt man danach wieder dazu.

Doch erst die Gremolata gibt dieser Speise den letzten Schliff. Das ist eine würzige Mischung aus frischer Petersilie, Knoblauch und geriebener Zitronenschale, die man am Schluss über das Ganze streut. Die Gremolata sorgt für eine unvergleichliche, würzige Frische und einen tollen Duft. Die Mailänder servieren zum Ossobuco den safrangelben Risotto milanese.

Lasst sie schmoren!

Ob in der Mailänder Version oder einem der vielen anderen Rezepte mit Kalbshaxen - in der Regel gilt: Der Ossobuco wird geschmort. Schmoren ist ideal bei Fleisch, das stark von Bindegewebe durchzogen ist. Es wird dadurch aromatisch und zart.

Vor dem Garen schneidet man die Kalbshaxen zuerst vier bis fünf Mal ca. drei Millimeter tief ein, damit sich das Fleisch beim Braten nicht biegt. Die Haxe wird auch mit Küchenschnur zusammengebunden, damit sie nicht zerfällt. Mit Salz und wenig Pfeffer würzen. Haxen im Mehl wenden, überschüssiges Mehl abschütteln.

Das Fleisch wird nun kräftig angebraten, mit Flüssigkeit abgelöscht und anschliessend zugedeckt bei mässiger Temperatur fertig gegart. Das ist der eigentliche Schmorvorgang, und dieser kann auf ganz verschiedene Arten geschehen.

Viele Wege führen zum Ossobuco

  • Auf dem Herd
    Wenig Bratbutter im Schmortopf heiss werden lassen. Haxen beidseitig je ca. 2 bis 3 Minuten anbraten. Rotwein dazugiessen, aufkochen. Nachdem auch das Gemüse separat angedünstet wurde, gibt man die Haxen wieder in den Schmortopf. Dieser sollte einen gut schliessenden Deckel haben, damit die Flüssigkeit nicht zu stark verdunstet. Deshalb die Flüssigkeit von Zeit zu Zeit kontrollieren und bei Bedarf nachgiessen. Die Haxen sollten aber nur bis zu einem Viertel darin liegen. Zu viel Flüssigkeit laugt das Fleisch aus.
  • Im Ofen
    Bratgeschirr mit Öl oder Bratfett zuerst im sehr heissen Ofen (ca. 240 Grad) erhitzen. Die Haxen werden darin kurz angebraten. Bei reduzierter Ofenhitze (ca. 180 Grad) werden die Haxen gar geschmort.
  • Im Dampfkochtopf
    Das ist eine schnelle Methode, weil die Garzeit gegenüber dem Schmoren im Topf nur rund ein Drittel beträgt. Fleisch zuerst in einer Bratpfanne oder im Dampfkochtopf anbraten, nur 1 dl Bouillon und zum Beispiel ½ dl Vermouth verwenden; im Dampfkochtopf ca. 25 Minuten schmoren. Den Dampf entweichen lassen, bis sich das Ventil ganz gesenkt hat, erst dann öffnen. (Angaben des Herstellers beachten.)
  • Im Römertopf
    Das Schmoren im Römertopf ist etwas aus der Mode gekommen - schade, denn dank seiner Beschaffenheit speichert er die Flüssigkeit sehr gut. Den Römertopf vor Gebrauch wässern und das Fleisch zuerst in einer Bratpfanne anbraten. Auch Kräuter und Gemüse werden angedämpft, bevor sie über die Haxen gegeben werden. Den Römertopf immer in den kalten Ofen schieben.

Vieles passt zu Ossobuco

Wie gesagt: Der traditionelle Ossobuco alla milanese wird mit Risotto milanese (mit Safran) serviert. Dank den schmackhaften Saucen, die den langen Schmorvorgang der Kalbshaxen-Gerichte unterstützen, passen auch «seeli-fähige» Beilagen wie Kartoffelstock oder Polenta sehr gut. Auch Teigwaren oder Semmel- und Kartoffelknödel schmecken dazu vorzüglich.

Die Kalbshaxe ist übrigens fettarm und eiweissreich. Für Linienbewusste: Vorsicht ist also weniger beim Verzehr eines Ossobuco geboten, dafür eher bei den währschaften Beilagen!

Ein Gericht für ganze Kerle

Kalbshaxen sind international. In Deutschland nennt man sie entweder wie bei uns Kalbshaxe oder Beinscheibe. In Süddeutschland hört man auch Hachse statt Haxe. Hüben wie drüben werden Kalbshaxen als herzhaftes Menü geschätzt. Als TV-Koch Tim Mälzer auf seiner Internetseite das Rezept für Kalbshaxen publizierte, schrieb ein User dazu: «Endlich was für ganze Kerle!» Die Kalbshaxe nach Mailänder Art ist zwar auch ausserhalb Italiens sehr populär, doch die Bayern halten der Italianità ihre Spezialität entgegen: Ihre Schweinshaxn werden nicht mit Rotwein, sondern mit Bier zubereitet und gern zusammen mit Knödeln serviert.

In der Romandie und in Frankreich nennt man die Kalbshaxe «jarret de veau». Auch der französischsprachige Raum kennt regionale Färbungen. Im Poitou-Charentes, einer Region am Atlantik, also ganz im Westen Frankreichs, hat sich das «jarret de veau au pineau» durchgesetzt. Diese Haxe verwendet weder Wein noch Bier, sondern eben den «pineau». Das ist ein typisches Getränk aus der Region. Es besteht aus Traubenmost und Eau de vie de Cognac.

Auch hierzulande kennt man lokale Kalbshaxen-Spezialitäten. Zum Beispiel die Kalbshaxe nach Aargauer Art. Dieses winterliche Rezept wird mit Dörrzwetschgen, Silberzwiebeln und viel Gemüse zubereitet.

Text: Tiziana Ossola

aktualisiert: 15. September 2020