
Essig: vom Würzmittel zum kostbaren Tropfen
Was wäre die Salatsauce ohne Essig? Eine höchst fade, unvollkommene Angelegenheit! Die Essigvielfalt ist heute fast unüberschaubar - allein schon bei den Weinessigen gibt es ein riesiges Angebot. Einige Essigspezialitäten sind gar so kostbar, dass sie nur tröpfchenweise genossen werden sollten!
Handarbeit vs. industrielle Herstellung
Aus fast jedem Nahrungsmittel, das Zucker enthält, kann Essig hergestellt werden, zum Beispiel aus Traubensaft, Malz, Reis, Ananas und Äpfeln. Im Allgemeinen werden jedoch alkoholhaltige Flüssigkeiten als Ausgangsmaterial verwendet. Zur Herstellung gibt es verschiedene Verfahren:
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Orléans-Verfahren
Dieses Verfahren kommt vor allem bei der Herstellung von qualitativ hochwertigem Weinessig zur Anwendung. Wein wird in Holz- oder Steingutbehältern mit Essigsäurebakterien geimpft und vergoren. Wenn die Essigsäurebakterien aneinander andocken, entsteht eine gallertartige Masse, die sogenannte Essigmutter. Damit sie aktiv bleibt, muss sie gepflegt werden. Gärtemperatur, Säure, Alkohol und Sauerstoff müssen stimmen. Der Wein, das heisst der zukünftige Essig, wird zudem mehrmals umgeschüttet. In Holzfässern gereifter Essig bildet ein nuancenreiches Aroma aus. Da bei diesem Verfahren viel Handarbeit anfällt, ist das Endprodukt teurer als Essig aus Grossproduktionen, dafür aber im Aroma individueller. -
Schnellessigverfahren
Speziell gezüchtete Schnellessigbakterien ermöglichen es heute, das Verfahren stark zu verkürzen. Diese Methode wird vor allem bei Rot- und Weissweinessig aus industrieller Produktion angewendet.
Je besser der Wein, desto besser der Essig!
Für echten Weinessig darf nur Wein aus Trauben verwendet werden. Die Weinqualität bestimmt das Endprodukt: Je besser der Wein, desto besser der Essig! Wie beim Wein können verschiedene Traubensorten gemischt werden. Es gibt aber auch sortenreinen Essig, zum Beispiel Chianti-, Chardonnay- oder Rieslingessig. Je nach Alkoholgehalt des Weins liegt der Essigsäuregehalt zwischen 6 und 10 Prozent. Weissweinessig ist in der Regel milder als Rotweinessig.
- Rotweinessig eignet sich für kräftige Salatsaucen, zum Marinieren von Fleisch (z.B. Sauerbraten), für Wildbeizen und Lammragout. Er harmoniert gut mit Baumnuss-, Haselnuss-, Distel-, Oliven- und Sonnenblumenöl.
- Weissweinessig eignet sich für Salatsaucen, Mayonnaise, Kartoffel- und Gurkensalat, Sauce hollandaise, béarnaise und Fischsud. Er harmoniert mit fast jedem Öl.
Essig mit dem gewissen Etwas
Wenn Rot- oder Weissweinessig Kräuter und Kräuterauszüge (z.B. Basilikum, Estragon, Thymian, Rosmarin), Gewürze und Gewürzessenzen (z.B. Knoblauch, Chili) oder Früchte und Fruchtextrakte (z.B. Himbeeren, Zitrone, Limette) beigegeben werden, spricht man von Aromaessig. Aromaanteil und Lagerzeit entscheiden über das Essigbouquet.
Aromaessig eignet sich für etwas speziellere Salatsaucen und für gekochte Saucen (z.B. Sauce béarnaise). Mit Gewürzen und/oder Kräutern aromatisierter Essig harmoniert gut mit Distel-, Oliven-, Raps- und Sonnenblumenöl.
Aceto Balsamico: so kostbar wie Wein
Aceto Balsamico wird in und um die italienischen Städte Modena und Reggio Emilia in der Region Emilia-Romagna hergestellt. Verwendet werden hauptsächlich Trebbiano-Trauben, aber auch Lambrusco- und Sauvignon-Trauben. Der Traubenmost wird gekocht und langsam eingedickt. In Holzfässer abgefüllt, fermentiert der Essig, dickt weiter ein und nimmt den Holzgeschmack an (z.B. Kastanie, Kirsche, Eiche, Esche, Akazie). Neben dem bekannten roten gibt es auch einen weissen Balsamico.
Je länger er in den Fässern reift (mindestens 2 Jahre), desto gehaltvoller und wertvoller (sprich: teurer) wird er. Der kostbarste ist der echte Aceto Balsamico Tradizionale (ABT). Wenn er aus Modena stammt (ABTM), bleibt er mehr als 12 bzw. 25 Jahre im Fass, wenn er aus Reggio Emilia stammt (ABT di RE), mehr als 18 Jahre. Diese Bezeichnungen sind geschützt.
Je nach Alter und Qualität ist der Balsamico süss-sauer oder sauer-süss, sanft oder sehr intensiv im Aroma. Der Essigsäuregehalt beträgt ca. 6 Prozent. Luftdicht verschlossen, ist dieser kostbare Essig fast unbegrenzt haltbar.
Balsamico wird in der Küche sehr sparsam eingesetzt, ältere Jahrgänge gar nur noch tröpfchenweise: Für Salatsaucen, für besondere Salatsaucen, zum Aromatisieren von Fleisch, Geflügel, Saucen, Mozzarella mit Tomaten, zum Bepinseln oder Beträufeln von Gemüse, grilliertem Fleisch und Fisch, Terrinen, Carpaccio - und Erdbeeren. Er passt zu Distel-, Kürbiskern- und Olivenöl.
Sherry-Essig: der Spezielle aus Spanien
Sherry- oder Jerez-Essig lagert oft über viele Jahre in Eichenfässern, in denen vorher Sherry gelagert wurde. Sherry-Essig hat eine dunkle Bernsteinfarbe. Der Essigsäuregehalt beträgt ca. 7 Prozent.
In der Küche wird er sparsam verwendet. Er eignet sich für spezielle Blattsalate, Fleisch- und Meeresfrüchtesalate, Vinaigretten und Marinaden sowie zum Beträufeln von Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten und Geflügel.
Text: Rita Iseli
24. Februar 2020
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